Praktikumsbericht: Ben Jagasia
Über die Woche hinweg bekam ich für meine Zeit im Büro zwei große Aufgabenbereiche zugeteilt: Zu einem sollte ich ein sachliches Informationsblatt mit Hintergrundwissen zum Land Jemen und dessen Gesandten in Deutschland, mit Schwerpunkt auf der derzeitigen inländischen politischen Situation auf Vorbereitung für ein diplomatisches Treffen von Herrn Lechte mit der jemenitischen Botschaft erstellen. Zweitens hatte ich noch die Aufgabe Herr Dabrowski bei der Erstellung von Facebook-Posts auf Herr Lechtes Account mit der Bereitstellung von Text-, wie auch Bildmaterial, zu unterstützen. So habe ich gleich zu meiner Ankunft einen Beitrag über meinen Praktikumsbeginn auf Herr Lechtes Facebook Seite gepostet. Beide Aufgaben habe ich super gerne getan – primär natürlich, weil ich dem Abgeordnetenbüro Arbeit abnehmen wollte, aber auch aus dem egoistischen Grund der Wissensbereicherung heraus, da ich dabei viel über außenpolitische Analyse und über die Gestaltung von sozialen Medien von Politikern lernen durfte.
Für die Erledigung der beiden Aufgaben hatte ich Dienstagvormittag jedoch leider kaum Zeit, da ich erst der Sitzung der AG Außenpolitik unter der Leitung von Herrn Lechte vor Ort beiwohnte, und später dann online das Treffen des Arbeitskreises 4 zu Freiheit und Menschenrechten weltweit verfolgen konnte. Vor meinem Praktikum wäre mir die Abstufung von AG zu AK völlig fremd gewesen, geschweige denn die fraktionsinternen Entscheidungsprozesse. Zu beobachten, wie zuerst die FDP-Abgeordneten beauftragt, mit Außenpolitik sich zu konsultieren, dann im weiteren Schritt sich im Rahmen der AK mit den weiteren Abgeordneten der Fraktion zu internationalen Angelegenheiten auf eine Linie festzulegen und diese Vorschläge dann in die Fraktionssitzung zutragen, wo es bei Zustimmung die Position aller freien demokratischen Abgeordneten wird, war nicht nur superspannend, sondern auch unglaublich aufklärend. Durch diese Erkenntnis der Hierarchiestufen in der Fraktion, war für mich persönlich die Mär von dem Abgeordneten, der ohne Widerspruch durch Fraktionszwang zu einer Position im Kontrast zu seinem Gewissen gezwungen wird, beendet.
Am Mittwochvormittag konnte ich Herrn Lechte leider nicht zur Sitzung des Außen-Ausschusses begleiten, weil dort unter höchster Klassifizierung über außenpolitische Themen auf Bundestags-Ebene beraten wurde. Trotzdem durfte ich einen kurzen Blick in den Raum werfen und Herr Lechte zeigte mir die Platzverhältnisse, worüber es erst kürzlich Aufruhr in der Linken-Fraktion gab, da sie neben die AFD im Ausschuss gesetzt wurden. Dennoch verlief mein Tag nicht weniger erlebnisreich, da ich im Zuge meines ersten Aufenthalts auf der Besuchertribüne über dem Plenum die traditionelle Bundeskanzler-Befragung vor der Sommerpause miterleben konnte. Die Reaktionen der Abgeordneten hautnah verfolgen zu können und die Atmosphäre live am Geschehen erspüren zu können, war eine Erfahrung besonderer Art. Die dabei gehörten Zwischenrufe und die generelle Verhaltensweise der AFD-Fraktion sind und bleiben ein Dorn im Auge unserer Demokratie und haben mich als Zuschauer wegen der zügellosen Gemeinheiten traurig gemacht. Ein schöner Abschluss des Tages war der Besuch zweier Schülergruppen des Albrecht-Altdorfer-Gymnasiums, bei dem ich fleißig Bilder gemacht habe und später einen Post über die Begegnung kreiert habe.
Der Donnerstag stand ganz im Zeichen des gemeinsamen Mittagessens mit Herrn Lechte und dem gesamten Büro in der parlamentarischen Gesellschaft, wo wir abschließend die Woche noch einmal im geselligen Beisammensein passe gehen ließen. Herzlich bedanken möchte ich mich an dieser Stelle auch bei Herrn Dabrowski und Herrn Dr. Paun, die mich im Verlauf der Woche zu unterschiedlichen Kantinen innerhalb der Parlamentsgebäude mitgenommen haben, sodass ich einen guten architektonischen aber auch kulinarischen Einblick ins politische Berlin genießen konnte. Doch die Woche war noch längst nicht vorbei: Donnerstag und Freitag markierten die letzten Tage der Plenarsitzung vor der Sommerpause und waren deswegen vollgepackt mit wichtigen Reden und Abstimmungen, zum Beispiel wurde über den NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens abgestimmt. Auch für Herrn Lechte stand noch am Freitag eine Rede zum Kosovo-Einsatz an, der ich selbstverständlich daumendrückend auf der Besuchertribüne beiwohnte. Eine besondere Freude war es außerdem Herrn Lechte bei manchen der vielen namentlichen Abstimmungen begleiten zu dürfen, wo ich den Weg mehrerer bekannter Spitzenpolitiker gekreuzt habe. Zweifelslos war ein großer Höhepunkt meines Praktikums die zufällige Begegnung mit Bundeskanzler Scholz auf dem Korridor, die in einem großartigen Foto resultierte, das mich für mein ganzes Leben begleiten wird.
Wenn ich jetzt zurückblicke auf all das Erlebte während des Praktikums, glaube ich zu erkennen, was Herr Lechte damals bei unserer ersten Begegnung meinte. Ja, der Bundestag ist die Herzkammer der deutschen Demokratie und die Spitzenpolitiker, die wir aus dem Fernsehen kennen, haben eine erhabene und übernatürliche Ausstrahlung. Ich muss gestehen, von dieser Ehrfurcht war ich zu Anfang meines Praktikums ergriffen. Doch was mir meine Zeit im politischen Berlin und mein Austausch mit Herrn Lechte gelernt hat, ist, dass es sehr engagierte Menschen sind, die meistens aus ihrem Verständnis heraus Gutes tun. Und ich glaube, das ist es genau, was wir als Gesellschaft wieder lernen müssen: Politiker sind nicht irgendwelche Übermenschen, sondern Menschen, die jeden Tag wieder versuchen ihr Bestes zu geben.
Mein politisches Interesse mit einem tiefen Einblick in die Entscheidungsprozesse auf fraktioneller/legislativer Ebene und in den parlamentarischen Betrieb zu verbinden, war eine sehr bereichernde und vervollkommnende Erfahrung. Sie hat mich auf jeden Fall ermutigt, den Karriereweg des Politikers ernsthaft in Betracht zu ziehen. Vielen Dank an dieser Stelle an Herrn Lechte, der mir gezeigt hat, dass mit einer Prise Humor, einem guten Netzwerk, Verhandlungsgeschick und Qualifikation vieles möglich wird, was auf den ersten Blick schwierig und eingefahren erscheint.